Kathrin von Hardenberg

Gründerin und Geschäftsführerin Indigo Headhunters


„Unternehmen sollten jungen Frauen schon frühzeitig klar sagen, wir wollen mit dir die nächsten Schritte machen“

Kathrin von Hardenberg gründete 2007 die Personalberatung Indigo Headhunters, mit der sie und ihre Mitgründer bis heute über 850 Positionen in der Finanz- und Immobilienbranche besetzt haben. Sie kennt den Immobilienmarkt und weiß, nach welchen Auswahlkriterien Unternehmen ihr Führungspersonal rekrutieren. Im Interview spricht sie darüber, was Männer und Frauen bei der Karriereplanung anders machen, warum es in der Branche erst wenige Frauen an der Spitze gibt und warum Unternehmen, die das ändern wollen, weibliche Talente gezielt und frühzeitig fördern sollten.

F!F: Fachkräfte und Spezialist*innen waren in den letzten Jahren auf dem Arbeitsmarkt nur schwer zu kriegen und wurden von Immobilienunternehmen regelrecht umworben. Wie hat Corona die Lage verändert? Stehen jetzt die Bewerber*innen bei den Unternehmen Schlange?

 

Kathrin von Hardenberg: Das kommt sehr auf die Position und die Assetklasse an. Bei den Logistikimmobilien läuft der Markt noch heißer als vor der Krise, in anderen Bereichen, z.B. Hotelimmobilien, ist es deutlich ruhiger geworden, hier müssen sich Jobsuchende jetzt sehr anstrengen. Einige Unternehmen haben ihre Einstellungen mit „Hiring Freezes“ komplett runtergefahren. Die meisten versuchen, offene Stellen erstmal selbst zu besetzen. Erst wenn das Unternehmen mit der eigenen Suche über Anzeigen und seine Netzwerke nicht erfolgreich ist, werden wir als Personalberatung dazugeholt. Das ist nach wie vor häufig bei allen Führungspositionen sowie bei technisch geprägten Positionen wie Bauprojektleitung und Projektsteuerung so. Auch in den Bereichen ESG und Digitalisierung, beide durch die Coronakrise noch wichtiger geworden, wo es einfach nicht genug qualifizierte Führungskräfte im Markt gibt.

 

F!F: Du hast viele Kandidat*innen bei der Suche nach einer neuen Aufgabe und Position begleitet. Denken Männer und Frauen aus unterschiedlichen Gründen über einen Jobwechsel nach?

Kathrin von Hardenberg und F!F Vorsitzende Anne Tischer im Frankfurter Büro von Indigo Headhunters 


Kathrin von Hardenberg: Ja, durchaus. Für Männer spielt bei einem Jobwechsel die finanzielle Komponente noch immer eine wichtige Rolle. Nicht immer aber will ein Kandidat wirklich wechseln, wenn er sich auf eine externe Stelle bewirbt. Vielen wollen einfach mal ihren Marktwert testen, um im nächsten Gehaltsgespräch besser verhandeln zu können. Bei Frauen liegen die Gründe für einen Jobwechsel eher in fehlenden Entwicklungsperspektiven und Förderung. Der Frau wird klar, dass sie zwar in der Hierarchiestufe und Funktion, in der sie ist, noch lange weiterarbeiten kann, ihr aber mittelfristig im Unternehmen die Alternativen fehlen. Bis die Frau dann aktiv wird und handelt, vergehen oft Jahre. Männer hingegen werden in der Regel viel schneller unruhig, wenn sie das Gefühl haben, sich nicht verändern zu können.

 

F!F: Wie wirkt sich das auf die Karriereverläufe von Männern und Frauen in der Branche aus?

 

Kathrin von Hardenberg: Männer treiben ihre Karriere meist aktiver voran als Frauen. Sie fragen schneller nach dem nächsten beruflichen Schritt und mehr Geld. Sie treten selbstbewusster auf und machen im Unternehmen früher klar: Wenn ihr mich in den nächsten Beförderungsrunden nicht berücksichtigt, bin ich weg. Und sie nutzen ihre Netzwerke inner- und außerhalb des Unternehmens viel besser. Frauen bauen sich nicht nur weniger eigene Netzwerke auf, sie wissen auch nicht so ganz, wie sie sie für ihre beruflichen Ziele einsetzen sollen. Bei vielen schwingt da die Befürchtung mit, ihr Netzwerk könnte als Frauenklüngel-Club wahrgenommen werden.

 

„Männer machen im Unternehmen früher klar: Wenn ihr mich in den nächsten Beförderungsrunden nicht berücksichtigt, bin ich weg“

 

F!F: Siehst du dieselben Unterschiede auch bei der jungen Generation?

 

Kathrin von Hardenberg: Junge Kandidatinnen formulieren ihre Wünsche und ihre Erwartungen heute klarer. Wir merken da eine Veränderung im Vergleich zur Situation vor 10 oder 20 Jahren. Die jungen Frauen und  Männer sind ein Stück weit anders sozialisiert, dadurch nähern sie sich in ihren Wünschen und Forderungen im Job einander an. In den ersten Berufsjahren ist das Verhältnis von Männern und Frauen auch noch ausgeglichen. Entscheidend für die Karriere sind aber die Stufen, die danach kommen. Und da gibt es nach wie vor eklatante Unterschiede.

 

F!F: Es gibt viele gut ausgebildete Frauen in der Immobilienbranche und auch in den immobilienwirtschaftlichen Studiengängen steigt der Anteil an Frauen und liegt an der Uni Regensburg und der TH Aschaffenburg bereits bei über 50 Prozent. Warum schaffen es dennoch nur so wenige von ihnen in die Geschäftsführungen und Vorstände?

 

Kathrin von Hardenberg: Die Branche rekrutiert in den Top-Positionen noch sehr stark über die alten Netzwerke, und diese Netzwerke sind weitestgehend von Männern geprägt. Alte Weggefährten holen Kandidaten nach, die sie persönlich kennen oder empfehlen sie für Stellen. Die Offenheit, sich für eine Führungsaufgabe mal ganz andere Kandidat*innen anzuschauen, ist noch gering. So veranstaltet ein Set von etwa 100 Leuten in der Branche die Wechsel zwischen den Posten. In den Köpfen ist noch nicht angekommen, dass gemischte Teams und Management-Gremien tatsächlich bessere Ergebnisse erzielen.

 

F!F: Du beschreibst den Thomas-Kreislauf.

 

Kathrin von Hardenberg: Ja, den Thomas-Kreislauf gibt es ganz extrem in der Immobilienbranche. Ein Thomas im Vorstand oder in der Geschäftsführung holt sich einen ihm sehr ähnlichen anderen Thomas in seinen Führungskreis dazu, jemand, der ähnlich alt, gebildet und sozialisiert ist. Die Annahme ist, dadurch laufe die Zusammenarbeit besonders reibungslos und fruchtbar.

 

„Die Offenheit, sich für eine Leitungsstelle mal ganz andere Kandidat*innen anzuschauen, ist noch gering. In den Köpfen ist noch nicht angekommen, dass gemischte Teams und Gremien tatsächlich bessere Ergebnisse erzielen“

 

F!F: Wie würdest du den klassischen Thomas in der Immobilienwirtschaft beschreiben?

 

Kathrin von Hardenberg: In den Management-Gremien gibt es häufig den weißen Mann Mitte 40 bis 50, sehr dynamisch, durchsetzungsstark, Hands-on-Mentalität. Einer, der sich gut verkaufen kann. Generell haben wir viele extrovertierte Vertriebspersönlichkeiten in der Immobilienbranche, weil viele Kernaufgaben rund um die Immobilie vertriebslastiger Natur sind.

 

F!F: Was muss sich ändern, damit in der Branche mehr Frauen in Führung kommen?

 

Kathrin von Hardenberg: Entscheidend ist, dass das Thema in den Unternehmen gewollt ist und zwar auf oberster Führungsebene. Ohne die Überzeugung des Top-Managements brauchen Veränderungen im Unternehmen viel zu viel Zeit. Wenn mehr Diversität auf der strategischen Agenda steht, macht es Sinn, bei der Rekrutierung und gezielten Förderung und Positionierung weiblicher Talente anzusetzen. Es braucht flexible Arbeitszeitmodelle und die nötige IT-Infrastruktur und Ausstattung, um von zu Hause oder unterwegs aus gut arbeiten zu können. Letzteres sollte spätestens seit Corona in vielen Unternehmen einfacher geworden sein.

 

F!F: Wozu rätst du Unternehmen ganz konkret?

 

Kathrin von Hardenberg: Wichtig ist es, frühzeitig weibliche Talente im Unternehmen zu identifizieren, mit ihnen zu sprechen und klar zu sagen, wir finden dich gut und wollen mit dir die nächsten Schritte machen. Diese Frauen sollten dann begleitet und maßgeschneidert gecoacht werden. In der Rekrutierung von Talenten kann man Algorithmen einsetzen, die Lebensläufe von Kandidat*innen scannen und helfen, eine objektive Vorauswahl zu treffen. Auch die eigenen Stellenausschreibungen sollte man genau anschauen. Jobanzeigen mit Schlüsselwörtern wie „durchsetzungsstark“ schrecken Frauen eher ab, viele können sich mit dem Wort nicht identifizieren. Auch lange Anforderungslisten mit 15 Punkten sprechen die meisten nicht an. Frauen stapeln gerne etwas tiefer und sagen sich, ich erfülle nur 40 bis 50 Prozent der Punkte, also kann ich den Job leider nicht machen.

 

Außerdem sollten sich Immobilienunternehmen stärker für Quereinsteigende aus anderen Branchen öffnen. Es ist ein Leichtes, in Bereichen wie Finanzen, Personal oder Marketing Leute aus anderen Branchen einzustellen und von ihren Sichtweisen und Erfahrungen zu profitieren. Ein Beispiel ist Helene von Roeder, die 2018 CFO bei Vonovia wurde und vorher bei einer Bank war oder Sabine Eckhardt bei JLL, die aus der Medienbranche kommt.

 

„Es ist wichtig, frühzeitig weibliche Talente im Unternehmen zu identifizieren, mit ihnen zu sprechen und klar zu sagen, wir finden dich gut und wollen mit dir die nächsten Schritte machen“

 

F!F: Seit 2015 gibt es die Frauenquote für die Aufsichtsräte. Aktuell diskutiert die Bundesregierung die Ausweitung der Quote auf Vorstände mit mehr als drei Mitglieder*innen von großen Börsenunternehmen. Befürwortest du eine Frauenquote für Vorstände?

 

Kathrin von Hardenberg: Ja, ich befürworte die Quote für Vorstände. Zu warten bis das Umdenken in den Aufsichtsräten, wo die Personalentscheidungen für die Vorstände getroffen werden, angekommen ist, braucht  zu viel Zeit. Die Quote führt dazu, dass ein höherer Frauenanteil sehr viel schneller erreicht wird, davon profitiert auch das Unternehmen kulturell und ökonomisch. Die Frage, die man stellen muss, ist, ob der negative Effekt einer Quote schwerer wiegt als der positive. Negativ, weil zum Beispiel eine Person befördert wird, weil sie eine Frau ist. Möglich, dass das an der einen oder anderen Stelle passieren wird. Aber jedem dieser Fälle stehen viel mehr Fälle gegenüber, wo Frauen übergangen werden. 

 

F!F: Kritiker*innen der Frauenquote führen das Argument an, dass stets der oder die Bestqualifizierte den Job bekommen sollte.

 

Kathrin von Hardenberg: Meistens gibt es nicht nur einen oder eine Bestqualifizierte für einen Job, sondern drei oder vier. In der Regel gibt es bei der Besetzung ein Spektrum an Kandidaten*innen, die in Frage kommen und jeweils unterschiedliche Kompetenzen und Persönlichkeiten mitbringen. Es geht darum zu entscheiden, welche Ausprägung man der Position geben möchte und welche Persönlichkeit dafür richtig ist.

 

F!F: Wie groß ist der Gender Pay Gap in der Immobilienbranche, also der Gehaltsunterschied bei Männern und Frauen bei vergleichbarer Berufserfahrung und vergleichbaren Kompetenzen?

 

Kathrin von Hardenberg: Im Durchschnitt so um die 10 bis 15 Prozent, das hängt von der Stelle und Seniorität ab. Auf Vorstandsebene werden die Bezüge offengelegt. Bei den Berufseinsteiger*innen haben sich die Gehälter inzwischen etwas angeglichen und entwickeln sich erst später auseinander, auch weil Frauen nicht deutlich und schnell genug nach Gehaltserhöhungen verlangen.

 

F!F: Welche Tipps gibt du Berufsanfängerinnen in der Immobilienbranche?

 

Kathrin von Hardenberg: Erstens, nähert euch den Technikthemen. Eine Berufsanfängerin mit kaufmännischem Hintergrund braucht auch Verständnis für die technische Seite. Das ist oft auch bei den Auswahlprozessen für Positionen zentral. Das gilt genauso für Digitalisierung. Seid offen und mutig und sagt, ich mach das jetzt mal und lerne zum Beispiel programmieren, um mein Kompetenzspektrum zu erweitern. Zweitens, fangt so früh wie möglich an, euch ein eigenes Netzwerk aufzubauen, sowohl mit Frauen als auch mit Männern. Man wächst ja mit seinen Peers, die sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Diese Kontakte sind später für den eigenen Berufsweg enorm wichtig und hilfreich.

 

F!F: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Anne Tischer, Vorsitzende F!F.