Isabella Chacón Troidl

CEO BNP Paribas Real Estate Investment Germany

„Was anders ist, erzeugt Reibung, Austausch und neue Gedanken“

Isabella Chacón Troidl, 45, ist Chief Executive Officer (CEO) und Vorsitzende der Geschäftsführung von BNP Paribas Real Estate Investment Management (REIM) Germany sowie Mitglied des europäischen Executive Boards. Seit gut einem Jahr an der Spitze des deutschen Managements verantwortet sie neben dem paneuropäischen Transaktions- und Asset Management auch das Research und die Strategie des Unternehmens. Im Rahmen der strategischen Ausrichtung war sie maßgeblich für die Weiterentwicklung und Integration von ESG-Kriterien verantwortlich.  

 

An der Spitze des Management Boards forciert sie als Change Maker eine ganzheitliche Transformation und setzt unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit die Zukunftsstrategie ihres Hauses um. Seit 2015 leitete Isabella das Transaktionsmanagement bei BNP Paribas REIM, 2018 wurde sie als CIO in die Geschäftsführung berufen. Vor ihrer Zeit bei BNP Paribas REIM war sie mehr als sieben Jahre als Transaktionsberaterin bei iii-investments tätig, 2014 wurde sie von BNP übernommen. 

Isabella Chacón Troidl, CEO BNP Paribas Real Estate Investment Germany


Neben dem Jura-Studium an der Uni Regensburg absolvierte Isabella ein Postgraduierten-Studium in Immobilienwirtschaft an der International Real Estate Business School (IREBS). Sie engagiert sich in verschiedenen Initiativen der Immobilienbranche, unter anderem im Vorstand des Instituts für Corporate Governance (ICG). Mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen lebt die Kunstliebhaberin in München.

 

Verantwortung, Vorbilder, Vielfalt – im F!F-Interview spricht Isabella über die Themen, die ihr am Herzen liegen. Ihre Überzeugung: Nachhaltige Geschäftsmodelle gelingen nur mit gemischten Teams. 

F!F: Du trägst einen spanisch-deutschen Familiennamen, woher stammt er?

 

Isabella Chacón Troidl: Ich bin in Weiden in der Oberpfalz groß geworden, einer strukturschwachen Region, wo nicht viel los war. Aber ich hatte das Glück, dass mein Vater aus Spanien kam und ich dadurch mit einer oberpfälzischen und einer spanischen Kultur aufgewachsen bin. Das hat mich letztlich über die etwas trostlose Gegend hinweg gerettet. 

 

F!F: Wie bist du zum Jura-Studium gekommen?

 

Isabella Chacón Troidl: Ich hatte Deutsch-Leistungskurs in der Schule und fand es immer toll, Texte, Literatur zu analysieren. Mich zu fragen, warum hat man in dieser Zeit so geschrieben? Ich wollte etwas studieren, das mit Analyse zu tun hat und mir ermöglicht, später etwas Sinnvolles zu machen. So bin ich beim Jura-Studium gelandet. Ein hartes Studium, man wird sehr auf Leistung getrimmt. Ab Tag eins hieß es: 50 Prozent fallen sowieso beim Staatsexamen durch. Aber ich bin rückblickend dankbar, denn ich habe gelernt, mich strukturiert in fremde Sachverhalte einzuarbeiten. 

 

F!F: Was reizt dich an der Immobilienbranche?

 

Isabella Chacón Troidl: Ich habe bei iii-investments in der Rechtsabteilung angefangen und mich dann bewusst in die Transaktion beworben. Weil ich es reizvoller fand, selbst zu entscheiden, statt „nur“ Beraterin bei einer Transaktion zu sein. Das würde ich jederzeit wieder machen: Eine Immobilie ist etwas Greifbares, Bleibendes. Wie sie gestaltet ist, hat sie Einfluss auf die Gesellschaft, auf die Menschen, die in der Immobilie leben und arbeiten. Das Gestalterische, aber auch die Verantwortung, die damit einhergeht, finde ich bis heute spannend. 

 

„Ich glaube, das ist das Wichtigste: Eine Perspektive zu haben und daraus Kraft und Ideen zu schöpfen.“

 

F!F: Gab es eine familiäre Prägung?

 

Isabella Chacón Troidl: Nein, ganz im Gegenteil. Ich glaube, meine Biografie ist auch ein Grund, warum mir Diversität so wichtig ist: In meiner Familie bin ich das erste Kind, das Abitur gemacht hat, das erste Kind, das studiert hat, und das erste Kind, das bei einer Bank CEO von einer Investment- Management-Einheit ist. Gepaart mit der Tatsache, dass mein Vater aus Spanien war, hatte ich immer schon den Stempel, ein bisschen anders zu sein. Damals war das schon noch etwas Besonderes. In der Grundschule war für mich klar, ich möchte aufs Gymnasium gehen, studieren. Dann ging es um die weiterführende Schule, und die Lehrerin fragte meine Mutter ganz direkt: „Frau Chacón, wollen Sie als Nicht-Akademikerin ihr Kind aufs Gymnasium schicken? Können Sie sich Nachhilfestunden überhaupt leisten?“ Total lächerlich bei einem Kind, das einen Notendurchschnitt von 1,0 hat. Ich glaube, das war für mich ein Trigger: Ich zeig’s euch allen! 

 

F!F: Hattest du Vorbilder?

 

Isabella Chacón Troidl: Auch wenn meine Eltern keinen akademischen Hintergrund hatten, wurde bei uns viel über Politik diskutiert. Und mein Großvater war trotz geringer schulischer Ausbildung sehr  an russischer Kultur und Literatur interessiert.  So hat er zum Beispiel Dostojewski und Tolstoi gelesen. Was man nicht von jemandem erwartet, der als Porzellan-Maler in der Fabrik arbeitet. In der Schule war die Prägung auch politisch, es war die Zeit von „Atomkraft – nein danke“. Wir sind ausgerückt, haben Müll gesammelt. Es gab da nicht die eine Person, die mich geprägt hat. Aber den Zugang zu verschiedenen Sichtweisen zu haben, Theater zu spielen – das alles hat bei mir dazu geführt, mich zu interessieren. Ich glaube, das ist das Wichtigste: Eine Perspektive zu haben und daraus Kraft und Ideen zu schöpfen.

 

F!F: Hast du früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen?

 

Isabella Chacón Troidl: Die finanziellen Rahmenbedingungen zu Hause waren bescheiden. Seit ich 14 war, habe ich immer mein eigenes Geld verdient, um mir zu ermöglichen, was meine Eltern nicht zahlen konnten. Das war sehr früh, aber auch bereichernd, zu erfahren: Ich habe ein Thema und finde dafür selbst eine Lösung. 

 

„Frauen stellen sich selbst sehr in Frage: Kann ich das, schaffe ich das? Statt zu sagen: Ich mache das einfach mal.“

 

F!F: War es für dich später auch selbstverständlich, die CEO-Rolle anzunehmen?

 

Isabella Chacón Troidl: BNP hat ja vor zehn Jahren iii-investments übernommen. Das hat mir neue Möglichkeiten eröffnet. Und BNP als französisches Unternehmen hat mir eine Arbeitswelt gezeigt, in der Frauen ganz selbstverständlich Führungsrollen haben. Der kulturelle Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland hat mich zusätzlich vorangetrieben: erst Abteilungsleitung, dann Geschäftsführung im Bereich Transaktion. Mir war auch klar, dass ich diese Verantwortung für die Landeseinheit übernehmen möchte. Niemand hat mich gefragt: Möchtest du das, könntest du dir das vorstellen? Sondern es war ein Wunsch, den ich kommuniziert habe. Natürlich habe ich mich dann sehr gefreut, dass es geklappt hat.

 

F!F: Dein persönlicher Rat an Frauen?

 

Isabella Chacón Troidl: Sei nicht deine strengste Kritikerin und limitiere dich dadurch nicht selbst! Frauen fällt es aufgrund tradierter Rollenbilder oft schwer, eine Position zu beanspruchen und stellen sich selbst sehr in Frage: Kann ich das, schaffe ich das? Statt zu sagen: Ich mache das einfach mal und schaue, wie es funktioniert.

 

F!F: Du giltst als Vorbild für die Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Wie schafft ihr das?

 

Isabella Chacón Troidl: Mein Mann hat mich immer sehr unterstützt, zum Beispiel zwei Mal Elternzeit gemacht, als ich nach der Geburt unserer Kinder wieder angefangen habe zu arbeiten. Natürlich kommt man in einer CEO-Position nicht mit einer 39-Stunden-Woche durch. Abends möchte ich zum Beispiel gemeinsam mit meiner Familie essen, dann setze ich mich später noch mal an den Rechner. Ich mache meine Arbeit gerne. Aber ich habe auch meinen Mann und meine Kinder sehr, sehr gerne und verbringe auch mit ihnen viel Zeit. Da muss ich sehen, wie ich mich organisiere. Ich finde es beispielsweise wichtig, den Bastelnachmittag oder die Schul-Aufführung im Terminkalender zu markieren und mit gutem Beispiel voranzugehen: Ich nehme mir Zeit dafür und kriege trotzdem meine Arbeit geregelt. 

 

„Ich kenne natürlich diese Situationen: Viele Männer stehen auf einer Veranstaltung zusammen, du kommst hinzu – plötzlich verstummt das Gespräch.“

 

F!F: Hat es dich als Berufsanfängerin nie verunsichert, dass es in den oberen Führungs-Etagen fast nur Männer gab?

 

Isabella Chacón Troidl: Ehrlich gesagt, habe ich das damals als normal wahrgenommen. Und ich hatte diesen Drang, Neues zu lernen. Das ist heute noch so. Erst rückblickend wurde mir bewusst, wie abnormal die Situation eigentlich war. Wenn ich zum Beispiel meine Ankäufe verteidigen musste und meinem damaligen Vorgesetzten gingen die Argumente aus, dann fing sein Satz so an: „Frau Chacón, Sie sind doch eine intelligente Frau…“ Das waren typische Verhaltensmechanismen, die ich heute aufgrund meiner Erfahrung ganz anders bewerten würde. Für mich war es ein Glück, dass ich von klein auf gewohnt war, für meine Ziele und Vorhaben zu kämpfen. Aber nicht jeder hat so einen Background, gibt dann vielleicht auf und entwickelt sich nicht weiter. Dann sind wir bei einem Problem.

 

F!F: Wie bist du dir in der Welt von Konzern, Geld und männlichem Habitus treu geblieben?

 

Isabella Chacón Troidl: Ich kenne natürlich diese Situationen: Viele Männer stehen auf einer Veranstaltung zusammen, du kommst hinzu – plötzlich verstummt das Gespräch. Also du merkst: Jetzt hast du ihnen den Spaß verdorben. Dann denke ich: Okay, dann verderbe ich euch jetzt mal den Spaß. Das muss man aushalten können. Und diese Barriere überwinden, zu dieser Gruppe gehen, wenn es vorher um andere typisch männliche Gesprächsthemen ging. Da werden wirklich Klischees bedient. Es haben sich dann aber oft wieder sehr nette Gespräche ergeben.

 

F!F: Man stelle sich umgekehrt vor: 90 Prozent weibliche Besucherinnen auf der Immobilienmesse Expo Real.

 

Isabella Chacón Troidl: Genau. Es geht nicht um „Männer sind doof, Frauen sind toll“. Sondern es geht um die Mischung. Weil Diversität das Spannende aus einem Austausch hervorbringt und damit auch eine Fortentwicklung im Unternehmen. Männer stecken genauso in ihren tradierten Verhaltensweisen wie Frauen. Und denken vielleicht im ersten Moment gar nicht darüber nach, auch wenn sie sich nicht so wohl dabei fühlen. Deshalb ist es super wichtig, bei allen Diskussionen über Diversität auch Männer an Bord zu haben. Positive Beispiele von Männern, die sagen: „Ich möchte Frauen in meinem Team haben.“

 

„Um Transformation voranzutreiben, brauche ich Innovation.“

 

F!F: Warum glaubst du, dass speziell der Immobilienbranche Vielfalt gut tut?

 

Isabella Chacón Troidl: Die Immobilienbranche hat – lassen wir jetzt mal die letzten 24 Monate außen vor – sehr, sehr gute Zeiten erlebt. Die Zinsen waren niedrig, die Immobilienwerte sind von alleine gestiegen. Das Thema Klimawandel ist zwar schon lange bekannt. Aber die Dringlichkeit wurde uns erst in den letzten Jahren vor Augen geführt. Neben der gesellschaftlichen Verantwortung gibt es inzwischen gesetzliche Verpflichtungen, denen wir nachkommen müssen. Aufgrund dieser Melange muss die Immobilienbranche sich transformieren – und sie sollte nicht darüber klagen. Sondern das als Chance begreifen und sich als Treiber der Transformation sehen!

 

Um Transformation voranzutreiben, brauche ich Innovation. Ich kann nicht mehr meine schönen alten Wege gehen, weil der Zinsmarkt alles für mich richtet. Sondern ich muss gestalten. Für diesen Mut und diese Schaffenskraft sind diverse Teams unerlässlich! Mit „divers“ meine ich nicht nur Mann und Frau, sondern auch soziale Herkunft, Inklusion. Alles, was anders ist, erzeugt Austausch, Reibung und neue Gedanken. 

 

F!F: Das kann mühsam sein. 

 

Isabella Chacón Troidl: Natürlich ist das manchmal anstrengend. Ich finde es auch witzig, mich mit meinen Freundinnen zu unterhalten, die genauso sind wie ich. Aber wir schaffen es eben nicht, mit den gleichen Gedanken und Methoden, neue Herausforderungen zu lösen, die so anders sind als die Vergangenheit. Und: Diversität macht auch Spaß. Mir ist es wichtig, das Ganze nicht so verkniffen zu sehen.

 

F!F: Du bist eine überzeugte Verfechterin von ESG, also ökologischen und sozialen Standards in der Unternehmensführung. Warum trittst du dafür ein?

 

Isabella Chacón Troidl: ESG formuliert Nachhaltigkeit. Wenn ich keine Kriterien dafür habe, sprich, wenn ich keinen sinnvollen Beitrag zu Umwelt und Gesellschaft leiste, dann werde ich mein Geschäftsmodell längerfristig nicht mehr betreiben können. Zweitens brauchen wir Regulatorik und Transparenz, um „green washing“ oder „social washing“ zu vermeiden. Und wenn ich etwas transparent mache, dann kann ich es messen und kann es managen. Deshalb finde ich zum Beispiel auch Frauenquoten sehr gut. Also ich muss mich weder hinter Regulatorik verstecken, noch muss ich sie negativ sehen. Das hat viel mit innerer Haltung, mit Führung zu tun. Das „G“ in „ESG“ steht ja für die Unternehmensführung, die „governance“: Wie möchte ich mit meinem Unternehmen einen wirklichen Beitrag zu Nachhaltigkeit leisten? Was heißt das für den Verantwortungsbereich jedes Mitarbeitenden? Wenn eine solche Basis in einem Unternehmen fehlt, gelingt eine Nachhaltigkeits-Transformation nicht. 

 

„Es ist möglich, einen sozialen Mehrwert mit einer Immobilie zu schaffen.“

 

F!F: Gibt es Immobilienprojekte, die du vorbildlich findest?

 

Isabella Chacón Troidl: Da fallen mir spontan zwei ein. Das eine ist die Fuggerei in Augsburg, die älteste bestehende Sozialsiedlung der Welt. Das Konzept und die Umsetzung wirken bis heute. Und: Wir haben einen „Social Impact Award“ für eine Logistik-Immobilie im niederländischen Asten gewonnen. Wo man spontan fragen würde: Was soll daran „social“ sein? Ganz einfach: Das fängt bei der ökologischen Nachhaltigkeit an. Die Immobilie ist aus rückbaubaren Materialien errichtet und maximal energieeffizient. Die Außenflächen können von der Gemeinde genutzt werden. Dann hat das Gebäude sehr schöne Aufenthaltsräume für die LKW-Fahrer:innen, die dort die Möglichkeit haben, zu entspannen. Und die Logistik-Immobilie ist inklusiv, das heißt dort arbeiten Menschen mit Behinderungen in einem Bereich, der Rücksicht auf ihre Einschränkungen nimmt. Bei der Preis-Verleihung war auch der Mieter anwesend und hat sich bei uns bedankt. Er ist zu den Mitarbeitenden, zu den Eltern und Betreuern zurückgegangen, und alle haben sich gefreut, dass sie ausgezeichnet wurden, für das, was sie machen. Das erfüllt mich mit Stolz. Und zeigt, dass es möglich ist, einen sozialen Mehrwert mit einer Immobilie zu schaffen. 

 

F!F: Vielen Dank für das Gespräch!

 

Das Interview führte Liane Borghardt.