Norbert Hermanns und Anke Tsitouras

Landmarken AG

Norbert Hermanns, seit 1987 leidenschaftlicher Projektentwickler und Immobilieninvestor, war von 2006 bis 2021 Vorstandsvorsitzender der von ihm gegründeten Landmarken AG in Aachen. Heute sitzt der 62-Jährige deren Aufsichtsrat vor. Mit seiner Frau Ruth Kirschner Hermanns, Universitätsprofessorin für Neurourologie, hat er vier gemeinsame Kinder. 

 

Die älteste Tochter, Anke Tsitouras, trat 2019 als Mitglied der Geschäftsführung in das Familienunternehmen ein und stieg 2020 neben Jens Kreiterling in den Vorstand auf. Anke absolvierte ihr Master-Studium „Real Estate Investment“ an der CASS University in London und arbeitete nach ihrem Abschluss acht Jahre lang bei der Royal Bank of Scotland, wo sie zuletzt für Großkundenportfolios verantwortlich war. Ebenfalls 2019 gründete Anke mit ihrem Mann und ihren drei Geschwistern POHA House, einen Anbieter für Co-Living und Co-Working. Anke ist 36 Jahre alt und erwartet ihr drittes Kind.

Norbert Hermanns und Anke Tsitouras von der Landmarken AG

Foto: © Christian Stoll


 Mit F!F sprachen Vater und Tochter über die Unternehmensnachfolge, den Erfolg von gemischten Teams, Familie und Karriere. 

 

„Ich weiß nicht, warum viele Unternehmen sich noch antun, so männlich zu sein“

 

F!F: Du hast als älteste Tochter die Unternehmensnachfolge im Vorstand angetreten, Anke. War das in eurer Familie ein besonderes Thema?

 

Anke: Bei uns zu Hause gab es nie das Thema: Wer ist Junge, wer ist Mädchen, und was heißt das für unsere Lebensgestaltung. Wir sind alle unterschiedliche Persönlichkeiten, und das wirkte sich zum Beispiel darauf aus, welche Aufgaben wir im Haushalt übernommen haben. Aber einen Unterschied, ob wir Junge oder Mädchen waren, den gab es in der Familie nicht. Als mein Vater überlegt hat, wer von uns vielleicht daran interessiert ist, die Unternehmensnachfolge anzutreten, war das auch kein Faktor. Wir haben alle unterschiedliche Stärken und Interessen, und für die eine oder andere Person war es richtiger oder spannender, in das Unternehmen einzusteigen. Bei mir war das so. 

 

Ich hatte nicht die primäre Idee, was kann ich alles lernen, um das ins Familienunternehmen einzubringen. Mir war es ein großes Anliegen, für mich selber eine eigene Karriere aufzubauen."

 

F!F: Oft fällt Unternehmensgründern das Aufhören schwer. Du hast dich schon früh mit deiner Nachfolge beschäftigt, Norbert.

 

Norbert: Ich finde das nicht so toll, wenn sehr alte Unternehmensgründer immer noch in der Firma herumhängen und der nächsten Generation die Welt erklären. Ich wollte zu einem Zeitpunkt aufhören, wo es mir gesundheitlich noch gut geht, und auch noch mal Zeit für etwas anderes bekommen. Gleichzeitig hatte ich vier tüchtige Kinder, die auch Interesse an der Nachfolge haben könnten und zum Teil eine entsprechende Ausbildung hatten. Weihnachten 2016 habe ich erzählt, dass ich eine Veränderung einbringen möchte bis 2021. Das Gleiche habe ich Anfang des Jahres 2017 im Unternehmen verkündet, um zu verhindern, dass Gerüchte entstehen. Sondern ganz offen: Das Unternehmen wird im bisherigen Spirit weiter geführt, und wir arbeiten daran, die Nachfolge zu regeln. Das hat dann Neues ausgelöst, bei manchen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aber auch natürlich in der Familie.

 

Anke: Ich erinnere mich gar nicht genau an diesen Moment. Ich weiß aber, dass es bei mir mit meiner eigenen Familiengründung korrespondierte. Mein Mann und ich hatten gerade unsere erste Tochter, und wir haben in London gewohnt, wo ich studiert und gut acht Jahre bei einer Großbank gearbeitet habe. Ich wusste immer, dass es ein erfolgreiches Familienunternehmen gibt, klar. Aber ich hatte nicht die primäre Idee, was kann ich alles lernen, um das ins Familienunternehmen einzubringen. Sondern mir war es ein großes Anliegen, für mich selber eine eigene Karriere aufzubauen. Völlig unabhängig etwas lernen, woran ich ein Interesse hatte.

Dabei entwickelt man sich, wird erwachsen. Wir lieben London immer noch, aber als Familie auf 65 Quadratmetern zu wohnen, war nicht mehr optimal, und der Zug nach Aachen wurde größer. Erst recht mit dem Wissen, mein Vater beschäftigt sich damit, ob es vielleicht in der Familie eine Nachfolge gibt. Da passte eins zum anderen, und wir haben uns ohne Druck dafür entschieden, das auszuprobieren und 2018 nach Deutschland zu ziehen. Ich glaube, es gibt wenig Dinge im Leben, die man bereut, ausprobiert zu haben.

 

Ich hatte eine unterschwellige Sorge, dass irgendjemand meint, ich hätte etwas einfach nur so bekommen."

 

F!F: Hattest du Sorge, als „die Tochter“ ins Familienunternehmen zu kommen?

 

Anke: Das war für mich am Anfang ein großes Thema. Ich hatte eine unterschwellige Sorge, dass irgendjemand meint, ich hätte etwas einfach nur so bekommen, ohne besondere Qualifizierung dafür. Als „die Tochter“ anzufangen und dann vielleicht nicht gut Anschluss zu finden. Persönliche Beziehungen und ein gutes Klima sind mir super wichtig. Aber von der ersten Sekunde an gab es das Thema gar nicht. Ich weiß nicht, woran es lag, ob an den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Landmarken, die total offen waren. Vielleicht habe ich auch das richtige Auftreten an den Tag gelegt und bin nicht reingekommen: Hallo, ich bin eure neue Chefin, und jetzt hört ihr mir mal zu. 

Ich bin dankbar, dass das im Endeffekt eine Sorge war, die nur bei mir im Kopf entstanden ist.

 

F!F: Habt ihr vorab diskutiert, in welcher Rolle du bei Landmarken einsteigst?

 

Anke: Ja, natürlich. Ich hatte Bedenken, sofort in eine Vorstandsposition einzusteigen. Ich wollte erst mal beweisen, was ich beruflich kann und leiste, dass das nicht nur ein „good will“ meines Vaters ist. Wir haben dann eine gute Idee für meine Rolle in der Firma entwickelt. Ich habe die strategische Unternehmensplanung übernommen, wo ich viel von dem einbringen konnte, was ich aus der Konzernwelt kannte. Viele kaufmännische Aktivitäten, die ich gut zu betreuen wusste, sind dadurch sukzessive bei mir angekommen. Ich habe neue Denkrichtungen und Strukturen in die Firma eingebracht. Daraus ergab sich dann der richtige Zeitpunkt, in den Vorstand zu wechseln. Mein Vater und ich haben uns ein gutes Jahr Überschneidungszeit gegeben. Das hat sehr gut geklappt. 

 

Mit einer anderen Gesamtkonstellation der Verantwortlichkeiten haben wir das Unternehmen gestärkt."

 

F!F: Viele Familienunternehmen scheitern an der Rollenklärung. Hattet ihr professionelle Unterstützung?

 

Anke: Wir hatten teilweise Hilfe. Womit wir uns stark auseinandergesetzt haben: Welche Aufgaben übernimmt der Vorstand, welche die Geschäftsleitung? Auch, weil mein Vater ein ganz anderes Berufs- und Erfahrungsprofil hat als ich. Ich bin keine Projektentwicklerin. Ich lerne natürlich auf der Ebene unglaublich viel dazu. Diese Erkenntnis war für mich total wichtig: Mein Vater hat 35 Jahre Erfahrung mit diesem Unternehmen  Aber trotzdem sind die Erfahrungen, die ich einbringe oder meine Art zu denken, auch wichtig. Da musste natürlich eine Verschiebung stattfinden zwischen den Aufgaben, die beispielsweise ich übernehme oder der andere Vorstand Jens Kreiterling, der sehr Projekt fokussiert ist und da besondere Expertise hat. Damit haben wir uns in einem Coaching und in Workshops auseinandergesetzt.

 

Norbert: Wir haben auch die zweite Führungsebene, also die Geschäftsleitung, ausgebaut. Mit einer anderen Gesamtkonstellation der Verantwortlichkeiten haben wir das Unternehmen gestärkt. Wir sind ja an einer Größenschwelle von einem Mittelständler zu einem komplexen Unternehmen. Ich denke aus der Unternehmensentstehung heraus noch sehr mittelständisch. Aber die Komplexität erfordert heute andere Strukturen. Anke ist da geeigneter, die jetzt erforderlichen Strukturen zu organisieren.

 

F!F: Mittlerweile sind drei der vier Geschwister in das Unternehmen oder in die Immobilienbranche eingestiegen. Gab es keine Interessenskonflikte zwischen euch, zum Beispiel dir und deinem Bruder Jochen?

 

Anke: Ich bin die älteste von Vieren und habe auch die eine oder andere dafür typische Charaktereigenschaft. Als Älteste von zwei berufstätigen Eltern ist mir dieses Organisatorische mit in die Wiege gelegt worden. Mein Bruder Jochen hat tatsächlich ein Dreivierteljahr vor mir in der Firma angefangen, ist leidenschaftlicher Projektentwickler und besetzt jetzt eine Rolle bei uns in der Geschäftsleitung. Wir sind total unterschiedlich, haben unterschiedliche Stärken, aber sind beide wichtig. Das ist eine gute Ergänzung.

 

F!F: Ihr vier habt zusammen mit deinem Mann das Tochterunternehmen POHA House gegründet, das Co-Working und Co-Living anbietet. Wer hat wen dafür begeistert?

 

Anke: Die Idee kam ursprünglich von meinem Mann und mir. Wir haben den Trend in England beobachtet, da war der Markt schneller als in Deutschland. Wir haben unsere erste Wohnung gekauft, und mein Mann wollte sich selbstständig machen. Wir haben auf einmal gesehen: Wir haben drei Schlafzimmer, die können unser Einkommen subventionieren, wenn wir unsere ganze Wohnung liebevoll möblieren und ein Zuhause für Mitbewohner schaffen. Das ist so super gelaufen, dass wir davon ein kleines Haus mit sieben Zimmern gekauft haben. Parallel sind wir alle aus unterschiedlichen Perspektiven an diesen Markt herangekommen. Mein jüngerer Bruder Jochen hat in Berlin gesehen, wie Co-Working groß wurde. Unsere  Schwester Lea war international für ihren Master unterwegs und hat immer wieder nach neuen Wohnmöglichkeiten gesucht. Sie hat uns stark nach vorne getrieben, motiviert und gesagt, was es braucht und wie groß der Mehrwert ist, Gemeinschaften/ Communities unter einem professionellen Management zu kreieren. Aus der Idee haben wir dann das Unternehmen Poha House aufgezogen, wie es heute ist, und mit ganz viel  Potenzial. Dazu brauchte es diese verschiedenen Köpfe.

 

Ich halte es für absolute Selbstbeschränkung, wenn Unternehmen an den wesentlichen Stellen nur Männer haben."

 

F!F: Darauf verzichten ja viele Immobilienunternehmen noch, zumindest in ihren Führungsetagen.

 

Norbert: Ich weiß nicht, warum viele Unternehmen sich noch antun, so männlich zu sein. Wenn ich bei verantwortungsvollen Aufgaben ähnliche Proportionen zwischen Männern und Frauen habe, dann tut das dem Unternehmen gut. Die Zusammenarbeit wird besser, das Ergebnis wird besser. Wir sind ja als Unternehmen auf gesellschaftlichen Konsens, auf ökologische und soziale Qualitäten aus. Gleichzeitig wollen wir auch wirtschaftlich erfolgreich sein. Insofern halte ich es für eine absolute Selbstbeschränkung, wenn Unternehmen an den wesentlichen Stellen nur Männer haben.

 

Anke: Diversität an sich ist wichtig, auch Alters-Diversität. Das ist jetzt etwas pauschaliert, aber: Es gibt eine ältere Generation, die unglaublich viel Erfahrung hat, die verschiedene Krisen erlebt hat, schon fünfzig Baustellen begleitet hat – wo auch mal alles schief gegangen ist, was schief gehen konnte. Da gibt es eine junge Generation, Zwanzig- bis Dreißigjährige, die unglaublich viel Energie dafür aufwenden, den Planeten zu retten und dort als starker Treiber agiert. Und ich bin in einer Generation dazwischen, die ganz viel von diesem Planeten retten, aber gleichzeitig Stabilität und Wirtschaftlichkeit bewahren möchte. Wenn wir es schaffen, uns aus den Vorteilen, also den Talenten der verschiedenen Generationen zu bedienen, dann ist das gerade in der Immobilienbranche, wo wir so große Herausforderungen vor uns haben, ganz wichtig für den Erfolg. 

 

Insgesamt ist es wichtig, dass man eine gute Vertrauenslage untereinander hat, gemeinsam kriegen wir das hin.

 

F!F: Als Vorständin wirst du zum dritten Mal Mutter. Hast du Respekt vor der Vereinbarkeit?

 

Anke: Respekt hat man immer. Aber da zählt stark, dass meine Mutter sich auf ihre eigene Karriere fokussiert und es auch hundert Prozent geschafft hat, eine gute Mutter zu sein. Wir alle haben unsere Eltern immer als anwesend und liebevoll empfunden, auch wenn sie in der Stundenzahl vielleicht nicht so anwesend waren wie andere Eltern. Das gibt mir in unserer Familienbildung ganz viel Selbstvertrauen. Auch wenn eine Haushälterin oder Au-pairs die Kinder mit betreuen, ändert das die Rolle der Eltern nicht.

 

F!F: Norbert, wie habt ihr als vierfache Eltern zwei Parallelkarrieren hinbekommen?

 

Norbert: Wir haben uns natürlich sehr konzentriert auf die zwei Felder Familie und Beruf. Insgesamt ist es wichtig, dass man eine gute Vertrauenslage untereinander hat, gemeinsam kriegen wir das hin. Man weiß nicht lange im Voraus, wie dieses oder jenes Detail funktioniert. Aber man geht mit der Sicherheit in familiäre und unternehmerische Themen: Wir werden das lösen, so oder so.

 

F!F: Eine Vorständin mit Babybauch strahlt sicher auf die Arbeitsumgebung aus.

 

Norbert: Die Familien unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind uns enorm wichtig. Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf allen Levels unterstützen. Deshalb bezahlen wir zum Beispiel grundsätzlich die Kita-Plätze.

 

Anke: Und viele arbeiten nicht Vollzeit. Wir versuchen jedenfalls, auf alle Wünsche einzugehen, weil es total individuell ist, wie man das Berufliche und Private kombinieren möchte oder muss.

 

Es ist eine große Chance für ein Unternehmen, wenn eine Führungsfigur für eine Weile loslässt."

 

F!F: Hast du Pläne für deine Elternzeit, Anke?

 

Anke: Ich habe mir vorgenommen, mich sechs bis neun Monate zurückzunehmen. Bei meinen ersten beiden Kindern habe ich das sehr genossen. Ich bin sehr überzeugt davon, dass wir hier ein Team haben, das das gut überbrücken kann. 

Norbert: Ich glaube sogar, dass das eine große Chance für ein Unternehmen ist, wenn eine Führungsfigur im Vorstand für eine Weile loslässt. Das erlaubt, dass dahinter Wachstum entsteht: Man sieht, wer bereit ist, noch mehr Verantwortung zu übernehmen, sich empfiehlt und qualifiziert.

 

F!F: Norbert, wie sehen deine Zukunftspläne aus?

 

Norbert: Ich bin seit Ende des Jahres nicht mehr Vorstand der Landmarken AG. Ich habe damit abgeschlossen. Aber das Unternehmen ist mein Herzensprojekt, insofern bleibe ich verbunden. Ich habe jetzt offiziell die Rolle des Aufsichtsratsvorsitzenden, das heißt, es gibt zustimmungsbedürftige Geschäfte. Ich versuche, dieser Rolle gerecht zu werden und den Vorstand machen zu lassen. Ich bin für Fragen immer da und gebe auf Anforderung meinen Rat. Das heißt nicht, dass sie es genauso machen sollen wie ich. Sondern, dass sie es im Ergebnis gut machen.

 

F!F: Hättest du dir je so ein großes Familien-Business träumen lassen?

 

Norbert: Ich bin glücklich, dass wir so eine tolle Familie und so ein erfolgreiches und gesellschaftlich engagiertes Unternehmen hinbekommen haben, und dass es jetzt so gut weiter geht. Das hofft man als Firmengründer, aber vor einigen Jahren war das so konkret noch nicht absehbar.

 

F!F: Alles Gute für eure Familie und euer Unternehmen. 

 

Das Interview führte Liane Borghardt.