„Wenn ich Eltern sehe, die aus Töchtern rosa Püppchen machen, dann frage ich mich, was wird den Mädchen da suggeriert?"
Nach ein paar Jahren Bank und Großkanzlei hängte Brigitte Mallmann-Bansa ihren Job als Anwältin an den Nagel, folgte ihrer Freude am Schreiben und wechselte in den Journalismus. Offen zu sein für Neues und ein gesundes Selbstvertrauen rät die heutige Chefredakteurin der Immobilien Zeitung allen, Männern wie Frauen, wenn wichtige Karriereentscheidungen anstehen. Im F!F-Interview erzählt sie offen über ihren Berufsweg, überholte Rollenbilder für Mädchen, Frauenkonkurrenz, Frauenquote und die zunehmende Bereitschaft der Immobilienwirtschaft Haltung anzunehmen.
F!F: Du arbeitest seit fast 15 Jahren in der Redaktion der Immobilien Zeitung, seit Anfang 2019 bist du Chefredakteurin. Wie ist dein Blick auf die Branche?
Brigitte Mallmann-Bansa: Von der Immobilienbranche zu sprechen, finde ich schwierig, denn die Branche ist breit aufgestellt, kleinteilig und heterogen. Da wir über das Thema Frauen in Führung reden, muss man ganz klar sagen, es ist eine männliche Branche. Die Immobilienbranche ist zudem eine Branche, die sich bei vielen Dingen nur langsam bewegt, vielleicht auch nur langsam bewegen kann. Möglicherweise liegt es daran, dass in dem Wort Immobilie das immobil schon drin steckt. Und viele Menschen mögen keine Veränderungen, die machen oft Angst. Dazu kommt die immer noch gute Konjunkturlage. Eigentlich sollte das dazu führen, dass die Unternehmen Zeit haben, sich mit Veränderungen zu beschäftigen. Aber leider denken offenbar viele: Nein, es läuft alles super, warum soll ich etwas ändern, warum soll ich meine Führungsstrukturen ändern?
Brigitte Mallmann-Bansa, Chefredakteurin Immobilien Zeitung
F!F: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der guten Konjunkturlage und der geringen Bereitschaft der Branche, sich Neuerungen gegenüber zu öffnen, neue Wege zu gehen?
Brigitte Mallmann-Bansa: Wenn es dem Unternehmen schlecht geht, dann muss die Führung etwas anders machen. Wenn es dem Unternehmen gut geht und es gibt Arbeit in rauen Mengen, dann braucht es auf ersten Blick keine Anpassungen. Diese Denkweise ist auch ein Problem bei der Digitalisierung. Es gibt einige, die haben sich das Thema auf die Fahnen geschrieben und sagen, wir machen das jetzt. Aber so richtig voran geht es nicht. Was übrigens genauso für den Klimaschutz gilt.
F!F: Du hast Jura studiert und danach eine Zeit lang als Anwältin gearbeitet. Wie hat es dich in die Redaktion der Immobilien Zeitung verschlagen?
Brigitte Mallmann-Bansa: Ich bin über die Commerzbank zur Immobilienbranche gekommen. Dort habe ich kurz nach meinem Studium in der Abteilung Baudienstleistungen In- und Ausland ein Praktikum gemacht. Ich war Ende 20, oft die einzige Frau und die Jüngste. Da gab es viele Situationen, in denen ich alleine mit zehn Männern in Meetings saß, genauso gut hätte ich eine rote Lampe auf dem Kopf haben können. Anschließend bin ich zu Linklaters in den Immobilienbereich gegangen. Das war eine tolle Zeit, und ich habe unheimlich viel gelernt. Das Selbstverständnis der Kollegen, das seinerzeit in vielen Großkanzleien herrschte, das Getrommel, wie toll es ist, bis nachts um vier einen Vertrag verhandelt zu haben – darin fand ich mich aber nicht wieder. Dann entdeckte ich durch Zufall den Journalismus-Studiengang in Mainz, habe mich beworben und bin zum Aufnahmetest. Auf einmal hatte ich einen Studienplatz und habe einfach gekündigt. Zur Immobilien Zeitung bin ich letztlich über die Frauen in der Immobilienwirtschaft gekommen, über die der Kontakt zu Alexandra May, damals bei der Immobilien Zeitung Chefin vom Dienst, zustande kam.
F!F: Es klingt so, als ob das Alphatiergebaren in der Kanzlei für dich mit ein Grund war, warum du dich gegen den Karriereweg dort entschieden hast. Nun trifft man diese Art von Verhalten auch in der Immobilienbranche des Öfteren an. Glaubst du, das schreckt junge, gut ausgebildete Frauen ab?
Brigitte Mallmann-Bansa: Ja, das glaube ich schon. Denn in einem frühen Stadium des Berufslebens fehlt oft die Gelassenheit, mit solchem Verhalten, das gar nicht böse gemeint ist, entspannt umzugehen. Es fehlt die innere Stärke zu sagen, das ist nicht mein Weg. Ich habe einen anderen Weg, und der wird auch funktionieren. Wichtig ist dabei: Es geht um ein Miteinander und nicht um ein Gegeneinander. Ich persönlich finde es schön, wenn mir jemand die Tür aufhält oder mir das Glas einschenkt. Das ändert aber nichts daran, dass ich als Frau trotzdem als Fachpartner wahrgenommen werden möchte. Und das widerspricht sich auch nicht.
F!F: Du schreibst seit 2005 über die Immobilienwirtschaft. Hat sich die Branche, ihre Art und Weise zu ticken, in dieser Zeit verändert?
Brigitte Mallmann-Bansa: Ja. Die Immobilienwirtschaft ist professioneller geworden und eher bereit, Dinge zu hinterfragen und Haltung einzunehmen.
F!F: Was sind die Gründe für diesen Wandel in der Branche?
Brigitte Mallmann-Bansa: Ich denke, das hat mit einem allgemeinen gesellschaftlichen Umdenken zu tun. Frauen, anders Denkende und anders Fühlende sagen vermehrt, es gibt mich auch noch. Insgesamt ist unsere Gesellschaft reflektierter und offener geworden. Meine Generation hängt so ein bisschen zwischen den Welten. In meiner Schulzeit haben die meisten Mütter nicht gearbeitet. Uns Töchtern wurde suggeriert, du kannst alles haben, wenn du nur willst. Aber ganz so einfach ist es eben nicht, weil wir es noch mit den alten Strukturen zu tun haben und dort anstoßen. Dass unsere Gesellschaft heute überhaupt darüber spricht, dass mehr Frauen in Führung kommen müssen, strahlt auf die Immobilienbranche aus. Dadurch bewegt sich was, in kleinen Schritten.
F!F: Der Anteil von Frauen in Vorständen und Geschäftsführungen ist in der Immobilienwirtschaft gering. Hinzu kommt, dass die Branche anteilig betrachtet die meisten Unternehmen hat, die sich die Zielquote Null für den Frauenanteil im Vorstand setzen. Warum tut sich die Branche so schwer mit dem Thema Frauen im Top-Management?
Brigitte Mallmann-Bansa: Ein Grund ist die Tatsache, dass niemand gerne gegängelt wird. Das ist auch eines der Probleme, das vor allem männliche Entscheider mit der Frauenquote haben. Bei ihnen entsteht der Eindruck, jetzt kommen die und wollen mir vorschreiben, wie ich mein Unternehmen zu führen habe. Und wer weiß, was passiert, wenn eine Frau in den Führungskreis kommt? Funktionieren dann bestimmte Mechanismen noch? Diese Vorbehalte laufen unbewusst in den Köpfen ab. Macht abgeben ist immer schwer, egal an wen.
F!F: Eine große Rolle bei der Besetzung von Führungspositionen spielen unbewusste Denkmuster und Stereotype. Diese Unconscious Bias bestimmen mit darüber, ob wir eine Person für eine bestimmte Aufgabe oder Position für qualifiziert halten.
Brigitte Mallmann-Bansa: Stereotype fangen schon bei der Sprache an. Ich rege mich z.B. immer auf, wenn ich von bezahlbaren Wohnungen für den Polizisten und die Krankenschwester lese.
F!F: Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil im Management sind nachweislich profitabler und innovativer. Das haben viele große Studien in den letzten Jahren nachgewiesen. Warum führen diese Studien nicht zu einem Umdenken in den Unternehmen und zu gezielten Maßnahmen, um mehr Frauen in Führung zu bringen?
Brigitte Mallmann-Bansa: Schwer zu sagen. Studienergebnisse sind selten passgenau für das eigene Unternehmen. Entscheidend ist letztlich der Glaube daran, dass es sich wirtschaftlich auszahlt, wenn es mehr Frauen in der Führung gibt. Das erfordert Überzeugungsarbeit und lässt sich schlecht beweisen.
F!F: Du sagtest vorhin, dass sich die Immobilienbranche generell mit Veränderungen schwertut. Glaubst du, stärker gemischte Führungsebenen würden Unternehmen offener für Neuerungen machen?
Brigitte Mallmann-Bansa: Ja, das glaube ich. Denn bis man gemischte Führungsebenen im Unternehmen hat, hat sich in der Organisation schon eine Menge verändert. Und für Veränderungen gilt oft: Wenn man erstmal damit angefangen hat, zeigt sich häufig, dass es hinterher besser läuft als vorher – auch wenn es zuvor viele Befürchtungen gab. An manchen Stellen müssen die Frauen aber auch mehr wollen. Die Chancen ergreifen und Verantwortung übernehmen.
F!F: Zögern Frauen eher, Führungsaufgaben und Verantwortung zu übernehmen?
Brigitte Mallmann-Bansa: Manchmal ist es so. Das ist auch eine Frage von Erziehung und Vorbildern. Wenn ich Eltern sehe, die aus ihren Töchtern rosa Püppchen machen, die sich nicht dreckig machen dürfen und nicht auf Bäume klettern, dann frage mich, was wird den Mädchen da suggeriert? Das sind doch später die jungen Frauen, die wir mal an der Spitze von Unternehmen haben wollen. Die mutig voran gehen sollen.
F!F: Viele Frauen, die Vollzeit berufstätig sind und Kinder haben, kennen diese spitzen Kommentare anderer Mütter, wenn man mal wieder keinen Kuchen für den Kuchenbasar gebacken hat oder beim Bastelnachmittag nicht dabei war.
Brigitte Mallmann-Bansa: Es ist leider ein Frauenproblem, sich gegenseitig kritisch zu beäugen bei dem, was die andere tut.
F!F: Das ist ein ganz interessanter Punkt. Immer wieder hört man, Frauen seien gegenseitig ihre härtesten Kritikerinnen und gönnen sich den Erfolg nicht.
Brigitte Mallmann-Bansa: Diese Frauen-Konkurrenz gibt es. Das fängt mit Äußerlichkeiten an, Kommentaren wie: Schau mal, was die anhat. Mein Eindruck ist, dass Dinge zudem persönlicher und sich mehr zu Herzen genommen werden. Ich habe 30 Jahre lang Handball gespielt. In unserer Frauenmannschaft gab es tatsächlich mal Streit darüber, dass eine andere im falschen Moment genervt die Augen verdreht hat. Diese Phänomene bei Frauen lassen sich nicht wegreden. Wir müssen sie uns deshalb bewusst machen. Vielleicht auch direkt ansprechen, und sagen: Ich habe das Gefühl, du empfindest mich als Konkurrentin, warum eigentlich?
F!F: Wie sollte eine Frau sein, wenn sie Karriere machen will?
Brigitte Mallmann-Bansa: Die Frage klingt, als müsse man in eine bestimmte Form passen, um Karriere zu machen. Zuerst muss Mann oder Frau es wollen. Ich habe Karriere nie geplant, vieles ist mir einfach passiert. Aber wenn jemand einem eine Chance bietet, dann muss man auch Ja sagen.
F!F: Eine Führungsrolle zu übernehmen, braucht oft auch Mut.
Brigitte Mallmann-Bansa: Ja. Mut und Wille. Und etwas Gelassenheit, Unbedarftheit und Neugier. Also nicht verkrampft sein, eigene Denkschemata hinterfragen und in eine unbekannte Situation reingehen. Die Bereitschaft, sich Hilfe zu suchen, wenn man etwas nicht kann. Selbstbewusstsein gehört auch dazu.
F!F: Um als Führungspersönlichkeit präsent zu sein, braucht es zunächst eine Vorstellung davon, wer man selbst ist. Bei vielen Menschen entwickelt sich dieses Selbstbewusstsein erst im Laufe der Zeit.
Brigitte Mallmann-Bansa: Es ist notwendig, ehrlich zu sich zu sein. Es gibt Leute, die wollen nicht führen, sondern jemand, der ihnen sagt, was sie tun sollen. Das ist auch in Ordnung. Es ist richtig, dass mehr Frauen in Führungspositionen müssen. Aber es ist aber auch richtig und wichtig, Frauen, die das nicht wollen, zu lassen wie sie sind und nicht zu sagen: Wieder so eine, die den Hintern nicht hochkriegt.
F!F: Was müsste konkret anders laufen in den Unternehmen, damit mehr Frauen in die Führungspositionen gehen?
Brigitte Mallmann-Bansa: Die Spitze des Unternehmens muss mehr Frauen in Führung wollen und das kommunizieren. Es braucht eine Kultur im Unternehmen, bei der es selbstverständlich ist, das Büro zu einer bestimmten Uhrzeit zu verlassen und nicht immer verfügbar sein zu müssen, für Frauen und für Männer. Ein Unternehmen muss Frauen ermutigen, befähigen und ihnen die Möglichkeit geben, Führungsaufgaben zu übernehmen. Da sind wir dann wahrscheinlich bei der Frauenquote, denn ohne Druck wird es nicht funktionieren.
F!F: Das heißt, du befürwortest die Quote?
Brigitte Mallmann-Bansa: Früher war ich gegen die Quote, weil ich wegen meiner fachlichen oder persönlichen Kompetenz eine Stelle bekommen wollte und nicht, weil ich eine Frau bin. Wer will schon eine Quotenfrau sein? Eine jüngere Kollegin, mit der ich neulich über das Thema Quote diskutierte, meinte dazu, wenn ich gute Arbeit mache, wird das doch jemand sehen und entsprechend belohnen. Nein, wird es nicht! Wird es nicht, wenn nicht durch eine Quote ein gewisser Zwang da ist, einer Frau den Job zu geben. Davon bin ich inzwischen fest überzeugt.
F!F: Du sprichst von „gesehen werden“, das bedeutet unter anderem Netzwerken. Netzwerken Frauen anders als Männer?
Brigitte Mallmann-Bansa: Netzwerken ist ja eine Form von Kommunikation. Eigentlich sollten Frauen also gut netzwerken können. Frauen netzwerken im Job aber weniger sichtbar.
F!F: Was meinst du damit?
Brigitte Mallmann-Bansa: Frauen tun sich schwer damit, ihr Netzwerk für ein bestimmtes Ziel oder ein Anliegen zu nutzen: Ich gebe dir das, du gibst mir dafür das. Für die meisten Männer ist das überhaupt kein Problem, ob es um die Sponsorenanfrage für den örtlichen Fußballverein geht oder den Deal, den sie zusammen machen wollen. Damit tun Frauen sich aus irgendeinem Grund schwer, wenn es um berufliche Belange geht.
F!F: Haben Frauen Skrupel, ihr Netzwerk gezielt zu nutzen?
Brigitte Mallmann-Bansa: Vielleicht. Was das Netzwerken angeht, können Frauen sich von Männern etwas abgucken. Die Notwendigkeit, im Beruf zu netzwerken und die Bereitschaft, mit gutem Gewissen voneinander zu profitieren, ist bei Männern besser verinnerlicht. Inzwischen gibt es einige Netzwerk-Initiativen von Frauen in der Branche, wie die Frauen in der Immobilienwirtschaft, den Kreis der Lenkerinnen oder auch den Jahreskongress der Immobilienfrauen von Heuer Dialog.
F!F: Welche Tipps würdest du jungen Frauen, die in den Job in der Immobilienbranche starten, geben?
Brigitte Mallmann-Bansa: Ich würde raten: Mach einfach! Überlege, worauf du Lust hast, dann mach eine Ausbildung in dem Bereich und guck dir verschiedene Sachen an. Versteck dich nicht, sage, was du willst und lass dich nicht abschrecken. Wenn Dir jemand eine spannende Aufgabe zutraut, glaub an dich.
F!F: Warum unterstützt du die Initiative FRAUEN !N FÜHRUNG?
Brigitte Mallmann-Bansa: Mehr Frauen in Führung zu bringen, ist ein wichtiges Thema für die Branche, das eine Stimme braucht. Frauen sind nicht per se besser als Männer. Aber wenn nur Männer berücksichtigt werden, sind alle anderen guten Leute von vorneherein ausgeschlossen. Deshalb finde ich es wichtig, die Initiative sicht- und hörbar zu machen.
F!F: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anne Tischer, Vorsitzende F!F.
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