Mit 35 Jahren wurde Annette Kröger CEO bei Allianz Real Estate Germany und verantwortet heute als CEO die Immobiliengeschäfte des Versicherungskonzerns in ganz Nord- und Mitteleuropa. Im F!F-Interview erzählt sie von ihrem Weg an die Unternehmensspitze, was Männer und Frauen bei der Karriereplanung anders machen und worauf Unternehmen achten sollten, wenn sie mehr Frauen in ihren Führungspositionen haben wollen.
F!F: Du bist 2009 zur Allianz Real Estate Germany gekommen, wurdest 2011 Head of Acquisitions und 2015 CEO. Nur wenigen Frauen gelingt es, so schnell Karriere zu machen, insbesondere in der Immobilienbranche, deren Top-Ebenen männerdominiert sind. Wie hast du das geschafft?
Annette Kröger, CEO Allianz Real Estate North & Central Europe im Gespräch mit F!F-Vorsitzender Anne Tischer, Foto: © Jessica Schäfer
Annette Kröger: Bei mir kamen drei Sachen zusammen. Zum einen mein aktives Zutun. Ich habe immer Leistung gezeigt und Herausforderungen oder neue Aufgaben angenommen. Vor Jahren ergab sich für mich zum Beispiel die Möglichkeit, das internationale Asset Management des Unternehmens für ein halbes Jahr zu leiten, weil ein Kollege nicht da war. Da habe ich nicht lange gezögert, sondern gesagt, ja klar, ich mache das. Auch wenn das für mich zu dem Zeitpunkt kein Karriereschritt nach oben war, hat es mich in meinen Kompetenzen breiter aufgestellt. Und später habe ich zum richtigen Zeitpunkt gesagt: „Wir haben niemanden im Transaktionsteam, der die Führung hat – ich könnte mir vorstellen, das Team zu leiten und möchte mich gerne weiterentwickeln.“
Dann habe ich damals bei der Allianz an einem Förderprogramm für Frauen, „100 Women“, teilgenommen. Jede Teilnehmerin erhielt einen Mentor aus dem Unternehmen, der sie unterstützte. Als sich mein Vorgesetzter beruflich veränderte, entstand eine Lücke, in die ich hineinschlüpfen konnte. Das war letztlich auch einfach Glück, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein.
F!F: Wer war dein Mentor bei der Allianz und wie sah seine Unterstützung aus?
Annette Kröger: Mein Mentor war der globale CEO der Allianz Real Estate. Die Allianz ist ja ein Versicherungskonzern. Für mich war es sinnvoll, einen Mentor im Immobilienbereich zu haben, weil ich in dem Bereich arbeiten wollte. Also habe ich ihn gefragt, und er war bereit dazu. Alle zwei, drei Monate haben wir uns zusammengesetzt und über die nächsten Karriereschritte gesprochen. Wenn Projekte anstanden, hat er geschaut, ob er mich dort einbinden konnte. Das hat mir zu mehr Sichtbarkeit im Unternehmen verholfen.
„Zu Beginn meiner Karriere war ich eher diejenige, von der man dachte, die geht jetzt einen Kaffee holen und nicht die, die die Transaktionen verhandelt. Das hat sich im Laufe der Zeit von selbst erledigt“
F!F: Gab es in deinem Berufsleben Situationen, in denen du das Gefühl hattest, anders behandelt zu werden als deine männlichen Kollegen?
Annette Kröger: Tatsächlich relativ wenige. Zu Beginn meiner Karriere, als ich als junge Frau bereits in leitenden Positionen tätig war, wurde ich immer ein bisschen komisch angeguckt. Ich war eher diejenige, von der man dachte, die geht jetzt einen Kaffee holen und nicht diejenige, die die Transaktionen verhandeln will. Im Laufe der Zeit hat sich das dann von selbst erledigt.
F!F: Du bist 2011, zwei Jahre nachdem du zur Allianz Real Estate Germany kamst, Head of Acquisitions geworden und 2015 CEO. Wie waren die Reaktionen deiner Kolleg*innen auf deine Karriereschritte?
Annette Kröger: Ich muss sagen, insgesamt waren die Reaktionen überraschend positiv. Es ist ja etwas schwierig, aus einer Gruppe heraus plötzlich Vorgesetzte zu werden. Einfacher ist es, wenn man in neues Unternehmen wechselt und gleich in der Führungsposition startet. Bei beiden Karriereschritten haben mich die Kolleginnen und Kollegen aber unterstützt, das rechne ich ihnen auch wirklich hoch an. Als ich CEO wurde, gab es den einen oder anderen, der sich das auch für sich selbst hat vorstellen können. Dort kam es auch mal zu Reibungen und unterschwellig war auch ein bisschen dieser Vorbehalt da, naja, sie hat das jetzt geschafft, weil sie eine Frau ist und besonders gefördert wird.
F!F: Wie bist du mit diesen Vorbehalten umgegangen?
Annette Kröger: Ich habe das wenig adressiert. Ich habe es zur Kenntnis genommen und mir gesagt: Ich mache meinen Job und ich bringe meine Leistung. Und dann werden wir schon sehen, dass ich den Job tatsächlich übernehmen kann und nicht nur in die Rolle gekommen bin, weil ich eine Frau bin.
"Viele Frauen bringen erstmal Leistung und versuchen dann damit aufzufallen, in der Hoffnung, daraus ergibt sich etwas. Männer gehen da deutlich strategischer vor“
F!F: Viele beruflich erfolgreiche Frauen betonen, dass es wichtig ist, sich über die eigenen Ziele klar zu werden und diese auch zu kommunizieren...
Annette Kröger: Ja. Und das ist interessanterweise ein Punkt, wo ich den größten Unterschied zwischen Männern und Frauen sehe. Ich kenne viele Männer, die ganz klar sagen, ihr Ziel ist, in eine bestimmte Position zu kommen. Dazu planen sie bewusst die nächsten Schritte im Job und übernehmen eine Aufgabe oder Rolle erst, wenn sie klargestellt haben, was das im Ergebnis für sie bringt. Bei vielen Frauen beobachte ich genau das Gegenteil: Sie bringen erst mal Leistung und versuchen dann damit aufzufallen, in der Hoffnung, dass sich daraus etwas ergibt. Männer gehen da deutlich strategischer vor.
F!F: Warum, glaubst du, ist das so? Warum setzen Frauen eher darauf, dass ihre Leistung überzeugt, während Männer schon frühzeitig ihre beruflichen Ziele recht selbstbewusst formulieren?
Annette Kröger: Frauen haben oft nicht das Bedürfnis, sich so stark darzustellen und zu positionieren. Frauen machen tendenziell die Arbeit im Hintergrund, sind zurückhaltender und wollen sich gar nicht anmaßen, ein bestimmtes Ziel zu verfolgen. Sie trauen sich eine bestimmte Führungsposition oft nicht zu oder denken, vielleicht ergibt es sich irgendwie. Das sehe ich häufig.
Auch bei mir war das ähnlich: Als es vor Jahren um die Besetzung der CEO-Rolle bei Allianz Real Estate Germany ging, telefonierte ich mit einem Kollegen. Der ging fest davon aus, ich hätte meinen Hut für den Job in den Ring geworfen. Dabei war ich damals noch überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, mich aktiv für diesen Job zu bewerben. Ich dachte mir, naja, ob ich die CEO-Rolle kann, ist fraglich. Und wenn doch, wird mich schon jemand darauf ansprechen. Das ist genau das Verhaltensbild vieler Frauen. Deshalb sollte man Frauen öfter mal einen Schubs geben und ihnen sagen, hey, jetzt mach das doch mal, du kannst das doch. Denn Frauen unterschätzen sich oft.
F!F: Wenn Frauen ihre Karriereschritte weniger einfordern und zurückhaltender sind, was sollten Unternehmen tun, um Frauen in Führungspositionen zu bringen?
Annette Kröger: Unternehmen müssen früh genau schauen, wer die weiblichen Talente sind und wie sie gezielt entwickelt werden, sodass sie die nächsten Schritte machen können. Dabei spielt auch Feedback eine wichtige Rolle, denn das hilft vielen Frauen, Selbstbewusstsein zu entwickeln und sich ihrer Stärken und Kompetenzen bewusst zu werden. Das alles ist Aufgabe des Managements und der Führungskräfte. Und ich glaube, genau hier hakt es. Denn diejenigen, die heute in den Management-Positionen sind, haben das nicht genug auf dem Schirm. Sie haben die Einstellung, die Frau muss sich genauso melden wie der Mann für den Job und achten selbst nicht genug darauf, wie das Team sich zusammensetzt. Das ist jetzt natürlich sehr verallgemeinert. Ich sehe diese Tendenz zur Zurückhaltung bei Frauen, aber natürlich trifft das nicht auf alle zu. Wichtig ist, dass Führungskräfte auf jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin einzeln eingehen.
F!F: Wie sieht es bei Allianz Real Estate mit dem Anteil von Frauen in den oberen Führungsebenen aus?
Annette Kröger: Wir haben insgesamt 50 Prozent Frauen im Gesamtunternehmen. In meinem Team sind zwei von acht Führungskräften Frauen, also 25 Prozent. Und auf Top-Managementebene bin ich die einzige Frau. Der Frauenanteil reduziert sich also auch bei uns, je höher man kommt. Das hat verschiedene Gründe. Mir ist mehrfach passiert, dass ich Frauen eine Führungsposition angeboten habe, sie diese aber nicht annehmen wollten. Ihnen war die Work-Life-Balance oder auch die größere Nähe zu operativen Themen wichtiger. Es entspricht nicht unbedingt dem Ziel aller Frauen, Management-Rollen zu übernehmen. Ich denke, die junge Generation wird dafür viel offener sein. Junge Frauen gehen heute anders an ihre Karriere ran. Sie überlegen sich: Wo will ich hin, was will ich und was will ich nicht? Dieses Selbstbewusstsein wird bei der Entwicklung hin zu mehr Frauen in Führungsebenen helfen.
F!F: 80 Prozent der Unternehmen im DAX30 hatten im September 2019 mindestens eine Frau im Vorstand. Bei den gelisteten Immobilienunternehmen waren es nur etwa ein Viertel der Unternehmen. Warum liegt die Immobilienbranche so deutlich hinter der Spitze der deutschen Wirtschaft zurück?
Annette Kröger: Da kommen mehrere Gründe zusammen. Zum einen ist die Immobilienbranche traditionell eher männlich besetzt. Und dann reagiert die Branche auf den Wandel, Innovationen und die Disruption von außen langsamer. Vielleicht auch weil die Branche ein bisschen geschützter ist als andere Branchen, in denen man diese Veränderungen schon stärker erkennen kann. Dort müssen die die Unternehmen schauen, wie sie die Talente bekommen, um im Markt erfolgreich zu sein. Dazu gehört, dass sich die Unternehmen offener und moderner zeigen, weil das gerade die jüngere Generation viel stärker einfordert.
Annette Kröger, CEO North & Central Europe bei Allianz Real Estate (rechts) und F!F-Vorsitzende Anne Tischer, Foto: © Jessica Schäfer
F!F: Seit 2016 gibt es in Deutschland eine 30%-Frauenquote für Aufsichtsräte großer Börsenunternehmen. In den Vorständen erhöht sich der Frauenanteil jedoch nur sehr langsam. Deshalb gibt es verstärkt Forderungen, die Quote auf die Vorstände auszuweiten. Was hältst du davon?
Annette Kröger: An und für sich tue ich mich mit einer Quote schwer. Frauen sind genauso gut wie Männer und sollten deshalb auch in dieselben Führungspositionen kommen. Tatsächlich findet das so aber oft nicht statt. Wenn wir schneller vorankommen wollen, ist eine Quote als Druckmittel notwendig. Zumindest festzulegen, bei zwei ähnlich qualifizierten Kandidaten die Frau zu wählen, halte ich für richtig, um schneller den Wandel zu bekommen.
F!F: Du hast mit Teams gearbeitet, in denen nur Frauen waren sowie mit reinen Männer-Teams. Gemischte Teams funktionieren am besten, sagst du. Warum?
Annette Kröger: Ein Team arbeitet besser und ausgeglichener zusammen, wenn es eine Mischung aus Männern und Frauen gibt. Diese Erfahrung habe ich als Führungskraft immer wieder gemacht. In Teams, die nur aus Männern oder Frauen bestehen, kommt es stärker zum Konkurrenzkampf, mal deutlicher, mal subtiler. Außerdem agieren Frauen und Männer anders und haben unterschiedliche Ansätze, an Dinge heranzugehen. Diese zu kombinieren führt zu neuen Ideen. Das kann für ein Unternehmen nur besser sein.
F!F: Der klassische Führungsjob ist in der Regel mit einer Vollzeitstelle und sehr viel Präsenz im Büro verbunden. Aber es gibt auch neue Ansätze. SAP zum Beispiel schreibt seit 2018 deutschlandweit alle Führungsstellen so aus, dass sie auch mit zwei Personen besetzt werden können. Glaubst du, dass flexiblere Arbeitsmodelle helfen können, Frauen in Führungsverantwortung zu bringen?
Annette Kröger: Das Modell von SAP finde ich sehr interessant und ich kann mir vorstellen, dass Führungstandems ein Modell für die Zukunft sind. Bei uns im Unternehmen sehe ich, dass Frauen, die um 17 Uhr das Büro verlassen, um sich um ihre Familie zu kümmern, oft mit der Situation zu kämpfen haben. Sie fragen sich, wie das wahrgenommen wird, ob das okay ist und ob sie ihren Job noch ausreichend erfüllen. Es erfordert viel Selbstbewusstsein und Konsequenz das so zu machen und zu sagen, ich verlasse jetzt das Büro, wenn ich gebraucht werde, kümmere ich mich abends nochmal um das ein oder andere. Diesen Mut haben viele Frauen nicht und lassen es lieber ganz. Je mehr Führungskräfte aber zeigen und vorleben, dass es funktioniert, desto selbstverständlicher wird es. In anderen Ländern ist es das schon. Wir haben vor einiger Zeit eine Kollegin in Schweden mit zwei Kindern eingestellt. Sie erzählte, dass in den letzten Jahren ihr Mann stärker Karriere gemacht habe und jetzt sei sie eben dran. Das ist dort auch in der Gesellschaft viel mehr akzeptiert.
„Es ist noch nicht Teil unserer Kultur in den Unternehmen, allen Beschäftigten klarzumachen, dass flexible Arbeitsmodelle genutzt werden können und man sich damit genauso entwickeln und Karriere machen kann.“
F!F: Es ist ja lange bekannt, dass das Ausland in punkto Frauen in Führungspositionen weiter ist, dass es flexible Arbeitszeitmodelle gibt, Führungstandems und dass duale Karrieren, bei denen beide Elternteile ihre Karrieren gleich weiterverfolgen, wichtig sind. Wie gelingt es, dass das auch in den Unternehmen und in ihrer Kultur ankommt?
Annette Kröger: Wenn ich ehrlich und auch ein bisschen selbstkritisch bin – wir kennen alle diese Modelle, aber wir als Führungskräfte sind nicht aktiv genug, sie einzuführen, zu etablieren und damit zu werben. So wie es SAP mit dem Jobsharing-Modell für Führungskräfte gemacht hat, das ist ein toller Ansatz.
Im Moment beschäftigen wir uns im Unternehmen im Einzelfall damit und suchen dann nach einer Lösung. Aber es ist noch nicht Teil unserer Kultur, allen Beschäftigten klarzumachen, dass flexible Arbeitsmodelle genutzt werden können und man sich damit genauso entwickeln und Karriere machen kann. Da sind die Unternehmen und das Management gefragt. Durch den gesellschaftlichen Wandel und die nächste Generation wird das aber viel stärker kommen. Ich habe selten gesehen, dass Männer so selbstverständlich ihre Elternzeit nehmen wie jetzt. Das kannte ich früher überhaupt nicht. Auch dass die Erziehung der Kinder von beiden Elternteilen in gleichem Umfang übernommen wird, setzt sich in der nächsten Generation fort. Aber es ist wichtig, das auch als Unternehmen zu unterstützen und positiv zu bestätigen.
„Mein Tipp an junge Frauen: Nutzt eure Chancen und lasst euch nicht abschrecken von bestehenden Strukturen im Unternehmen. Seid mutig und sagt, ich kann daran auch etwas ändern.“
F!F: Du hast an der EBS studiert und bist danach in den Beruf gestartet. Wenn du an dein jüngeres Selbst am Anfang der Karriere zurückdenkst. Welchen Tipp würdest du dir mit der heutigen Erfahrung geben?
Annette Kröger: Mutig sein und einfach mal springen, wenn sich eine neue Gelegenheit bietet. Sich in den eigenen Kompetenzen möglichst breit aufstellen und neugierig sein, Dinge zu lernen – das schafft das nötige Fundament, um im richtigen Moment eine Chance ergreifen zu können. Was ich mir selbst raten würde noch mehr zu tun, ist netzwerken. Das habe ich etwas vernachlässigt und mich immer stark auf Inhalte und Leistung konzentriert. Aber es ist durchaus berechtigt, mehr darüber nachzudenken, wo man hinwill und dafür die entsprechenden Netzwerke aufzubauen.
F!F: Und welchen Tipp gibst du jungen Frauen, die heute in den Job starten?
Annette Kröger: Überlegt euch, wo ihr hinwollt. Nutzt die Chancen, wenn sie sich ergeben. Und lasst euch nicht abschrecken von bestehenden Strukturen im Unternehmen, sondern seid mutig und sagt, ich kann daran auch etwas ändern. Diese Impulse der jungen Generation sind es, die die Unternehmen brauchen und dafür sollten sie ihr den nötigen Freiraum geben.
F!F: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anne Tischer, Vorsitzende F!F.
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